1945 - 2025: 80 Jahre Kriegsende im heutigen Mecklenburg-Vorpommern.
Offiziell wurde das Ende aller Kampfhandlungen für den 8. Mai 1945 um 23:01 Uhr festgelegt. Die deutsche Wehrmacht hat kapituliert, der Zweite Weltkrieg in Europa ist vorbei. In Mecklenburg-Vorpommern ist der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges ein offizieller Gedenktag. In diesem Jahr wollen wir besonders an die Schrecken des Krieges und an die mehr als 60 Millionen Opfer gedenken. Dazu haben die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern und ihre Partner - Gedenkstätten, Kommunen, Vereine und viele mehr - ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm aus Gedenkveranstaltungen, Konzerten, Theateraufführungen, Lesungen, Vorträgen und Podiumsdiskussionen über das gesamte Jahr zusammengestellt. Aktuelle Termine und Hinweise finden Sie hier.
Die letzten Kriegstage im heutigen Mecklenburg-Vorpommern
Am 29. April 1945 erreicht die Rote Armee das heutige Mecklenburg-Vorpommern. Innerhalb von nur fünf Tagen wird das Land bis zum 3. Mai eingenommen. Bei Schwerin kommt es zum Handschlag zwischen Einheiten der Roten Armee und Soldaten der Westalliierten. Die Demarkationslinie verläuft zunächst östlich von Wismar-Schweriner See-Ludwigslust-Dömitz. Schwerin und Westmecklenburg sind zuerst von Amerikanern und Briten besetzt, ehe am 1. Juli die Sowjets die Kontrolle übernehmen. Die Demarkationslinie wird gemäß den Beschlüssen der Konferenz von Jalta weiter nach Westen verlegt. Größere Kampfhandlungen bleiben in den letzten Kriegstagen im heutigen Mecklenburg Vorpommern aus, aber der Krieg zeigt sich nochmal mit all seinen Schrecken: Tod, Hunger, Flucht, Vertreibungen. Die Lage war chaotisch und die Versorgung schlecht. Einige Schlaglichter haben wir zusammengestellt:
KZ-Außenlager
Im Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns existierten zahlreiche Außenkommandos und Außenlager der großen Konzentrationslager Neuengamme, Ravensbrück und Sachsenhausen. Sie befanden sich etwa in Barth, Retzow-Rechlin, Neustadt-Glewe, Karlshagen, bei Neubrandenburg oder in Wöbbelin.
Unweit des Dorfes Wöbbelin, direkt an der Straße zwischen Ludwigslust und Schwerin, entsteht im Februar 1945 eines der letzten Konzentrationslager. Es existiert zehn Wochen. Pfercht 5000 Häftlinge zusammen. Mehr als 1000 sterben. Es ist eine kalte Nacht, mitten im Februar 1945, als die Nazis 500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme bei Hamburg in Holzbaracken nahe Wöbbelin schaffen. Das kleine Lager, in das sie gebracht werden, gibt es seit Herbst 1944. Errichtet von Zwangsarbeitern und italienischen Kriegsgefangenen. Ein paar hundert Meter von hier sollen die Häftlinge zusammen mit Firmen aus der Umgebung ein Lager für amerikanische und englische Kriegsgefangene aus dem Boden stampfen.
Bis 23. März kommen, verteilt auf zwei weitere Transporte, noch einmal 207 Häftlinge an. In diesen sechs Wochen sterben 82 Gefangene. An Kälte. Hunger. Harter Arbeit. Bei Fluchtversuchen. Im April, als die Alliierten immer näher rücken, räumt die SS etliche Konzentrationslager. Wöbbelin wird zum Auffanglager. Insgesamt rund 5000 Häftlinge aus mehr als 20 Nationen kommen hier an. Der jüngste ist gerade einmal neun. Die Zustände: Katastrophal. Das Lager ist noch nicht fertig. Die Steinbaracken haben keinen Fußboden. Keine Fenster. Kein Wasser. Auf dem Gelände – eine Wasserpumpe für alle. Zu Essen gibt es, wenn überhaupt, Wassersuppe und Brot. Jeden Tag sterben Häftlinge. Am Ende werden es mehr als 1000 sein. Unterdessen kommen die Alliierten immer näher. Am 1. Mai treibt die SS die Häftlinge in einen Güterzug. Er fährt aber nicht los: Die Lok ist kaputt. Die Gefangenen kehren ins Lager zurück. Überall liegen jetzt noch mehr tote Menschen. Erschossen. Weil sie versuchten, sich zu verstecken. Am 2. Mai stellt die SS noch einmal Häftlinge für einen Transport zusammen. 300 Deutsche.
Auf dem Marsch Richtung Schwerin setzen sich die Wachmänner ab. Auch im KZ verlassen die Wächter das Gelände. 3500 bis 4000 Häftlinge bleiben zurück. Einige von ihnen gehen los. In die Freiheit. In Ludwigslust wird ein amerikanischer Soldat auf drei von ihnen aufmerksam, als sie in einem kaputten Schaufenster nach Kleidung suchen. Die Amerikaner folgen den Erklärungen – und finden das Lager. Der Leichengeruch schlägt ihnen schon von Weitem entgegen. In den Tagen nach ihrer Befreiung sterben noch einmal mehr als 180 Menschen. Heute erinnern an den genannten Orten an das Schicksal der Menschen.
Todesmarsch nach Schwerin
Beim Heranrücken der alliierten Front trieb die nationalsozialistische Schutzstaffel ab dem 21. April 1945 mehr als 33.000 Häftlinge des KZ Sachsenhausen, unter ihnen Frauen und Kinder, zu Fuß in Richtung Nordwesten auf einen Todesmarsch. Auch weibliche Häftlinge des KZ Ravensbrück waren in diese Richtung unterwegs. Vom 23. bis 29. April wurden ein Teil der Kolonnen aus dem KZ Sachsenhausen, mehr als 16.000 Häftlinge, im Belower Wald zusammengezogen. Sie lagerten ohne Unterkunft und Versorgung im Wald, bewacht von einer SS-Postenkette.
Hunderte Menschen starben oder wurden von der SS erschossen, bevor Anfang Mai die Befreiung durch sowjetische oder US-amerikanische Truppen erfolgte. Heute erinnert die Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald, die Skulptur „Die Mutter“ des Bildhauers Gerhard Thieme und vier Reliefstelen in Raben Steinfeld an den Todesmarsch. Seit 1976 ist die Route des Todesmarschs durch etwa 100 vierfarbige Emailletafeln zwischen Oranienburg und Schwerin entlang einer Strecke von ca. 200 Kilometern gekennzeichnet und erinnert so an die Opfer. Mehr erfahren unter https://politik-mv.de/2020/05/08/der-fotograf-und-der todesmarsch.
Ende der Zwangsarbeit und Kriegsgefangenenlager, Displaced Persons
Im Kriegsverlauf wurden viele abhängige Beschäftigte wie Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Häftlinge und KZ-Insassen aus umliegenden Lagern in den Fabriken und Werken der Rüstungswerke und ihrer Zuliefererbetriebe sowie den Luftfahrtunternehmen eingesetzt. Die beiden bedeutendsten Firmen waren die Mechanischen Werkestätten in Neubrandenburg und die Mecklenburgischen Metallwarenfabrik in Waren.
Ein weiterer Rüstungsschwerpunkt, der aber nach außen weitestgehend unbemerkt vorangetrieben wurde, war die Anlage von Sprengstoff- und Munitionsbetrieben in den ausgedehnten Waldgebieten. Die wichtigsten Produktionsstätten lagen bei Kriegsbeginn in der Nähe von Dömitz, Malchow, Ueckermünde und Barth. Nach Kriegsende warteten zehntausende KZ-Häftlinge und befreite Zwangsarbeiter als „Displaced Persons“ noch in Mecklenburg und Vorpommern auf ihre Heimreise.
Versenkung der „Cap Arcona“
Am 3. Mai 1945 wurden in der Lübecker Bucht die Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbeck“ mit 9.000 KZ-Häftlingen an Bord unter tragischen Umständen durch britische Kampfflugzeuge versenkt. In dem kleinen mecklenburgischen Gutsdorf Groß Schwansee unmittelbar an der Ostsee wurden mehr als 400 Leichen der über 7.000 Opfer angespült und in den Dünen bestattet. Viele der Opfer wurden auch an die Küste der Insel Poel gespült. Heute erinnern Gedenkstätten in Grevesmühlen (die Umbettung der Opfer von Groß Schwansee erfolgte in den 1950er Jahren) und auf der Insel Poel an die Opfer. Mehr erfahren unter https://politik-mv.de/2021/02/01/neue-doku-uber-katastrophe/.
Speziallager Fünfeichen bei Neubrandenburg
Das Lager Fünfeichen diente während des Zeiten Weltkrieges als Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht. Nach Kriegsende übernahmen die sowjetischen Besatzung des Komplex und errichtete am gleichen Ort ein Speziallager zur Internierung von NS-Systemträgern und als Sicherheitsrisiko eingestufte Personen. Rund 15.400 Menschen wurden bis 1948 in dem Lager festgehalten. Rund ein Drittel von ihnen verstarb an den katastrophalen Haftbedingungen.
Flucht und Vertreibung, Bodenreform
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges halten sich mehr als zwei Millionen Menschen im Land auf. Geschätzt 30.000 Kinder irren elternlos durch die Gegend. Chaos und Seuchen brechen aus. Eine ab dem Sommer 1945 grassierende Typhus-Epidemie rafft mehrere Tausend Menschen dahin. Es dauert, bis die öffentliche Ordnung wiederhergestellt ist. Doch auch die Zeit danach bringt zahllosen Menschen Leid und Unrecht. Die Bodenreform führt zur Enteignung von mehr als 2.000 Gütern. Mehr erfahren unter https://politik-mv.de/2020/05/20/ die-na%cc%88hmaschine-der-mutter/
Zerstörung der Städte
Bei der Eroberung durch die Rote Armee leisten viele Orte den Verteidigungsbefehlen oder den Aufrufen zur Sprengung von Brücken und anderen Gebäuden nicht Folge. So erfolgt etwa die Übergabe Greifswalds am 30. April kampflos. Neubrandenburg hingegen wurde zum Schauplatz von Kämpfen zwischen Wehrmacht und Sowjetarmee. Ein Brand zerstörte große Teile der Innenstadt und wandelte das Gesicht der Stadt nachhaltig. NS-Funktionäre wurden interniert, Zwangsarbeitende befreit und die Versorgung mit Gütern alltäglichen Bedarfs zur Herausforderung für die Zivilbevölkerung. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 waren bei einem Bombenangriff von Flugzeugen der britischen Royal Air Force große Teile des Wismarer Altstadtkerns zerstört worden, darunter das Gotische Viertel. 14 Menschen starben.
Tragödie von Swinemünde
Der Golm auf Usedom. Grabsteine und Kreuze erinnern an den 12. März 1945. Den Tag, an dem die US-Luftwaffe Swinemünde angriff. Swinemünde war mit Flüchtlingen und Soldaten überfüllt, als 661 amerikanische Flugzeuge die Stadt bombardierten. Der Angriff galt dem Hafen, der unter anderem von der deutschen Kriegsmarine intensiv genutzt wurde. Nach Schätzungen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, die heute von der historischen Forschung weitgehend bestätigt werden, starben bei diesen Angriffen zwischen 4.000 und 6.000 Menschen, viele davon aus der Zivilbevölkerung. Mehr erfahren unter https://politik-mv.de/2021/02/19/die-tragoedie-von-swinemuende.